16.12.2016 Weibischer Weihnachts-Wahnsinn

oder: Mädels, besinnt euch, dann wird’s besinnlich!

Es ist wieder soweit. Weihnachten, das Fest der Sinne, naht!

So kurze Zeit vor den Festtagen funkelt und strahlt es aus allen Fenstern, erhellen Kerzen, Lichterbögen, Sterne und Lichterketten pünktlich ab fünf Uhr nachmittags die winterliche Dunkelheit. Unsere Augen, seit Wochen gewöhnt an Schummerlicht und Nebel, sehen selbst im Schlaf noch Blitze und gleißendes Licht.

Von den Weihnachtsmärkten – die meisten Waren haben wir längst abgeräumt, lediglich Restbestände werden feilgeboten – malträtieren Glühwein- und Bratwurst-Ausdünstungen unsere roten Nasen. Wie gut, dass auf dem Heimweg lieblichere Gerüche heranwehen: Wolken von Tee- und Plätzchenduft aus den hell erleuchteten Häusern.

Zuhause empfängt uns das Kind mit quietschendem Blockflötenspiel. Das Vorspiel der Schulklasse im Altenheim, beim Gottesdienst und vor Oma und Opa an Heiligabend soll schließlich perfekt klingen. Oh du fröhliche!

Im Hintergrund läuft im Radio – wie kann es anders sein – Wham’s „Last christmas“.

Und mitten in diesem Wirrwarr an visuellen, akustischen und olfaktorischen Reizen sind wir, die Frauen. Schon seit Tagen – gar Wochen! – am Shoppen, Dekorieren, Schmücken, Backen, Vorbereiten, Einladen, Organisieren. Maria, Joseph und der kleine Jesus? Sind uns gerade sowas von egal. Denn wir sind total genervt und völlig überfordert. Dabei sind wir ganz und gar nicht unschuldig daran, wie wir selbst Weihnachten empfinden und erleben.

Sind nicht wir es, die – einem brutalen Wettbewerb gleich – das am schönsten erleuchtete Haus, die allergrößte und bunteste Auswahl an Plätzchen, das am glockenklarsten singende Kind haben wollen? Sind nicht wir es, die den Weihnachtsfrieden akut in Gefahr bringen, indem wir unsere Männer immer und immer wieder neu auf die Suche nach der geometrischsten Tanne losschicken („Die nicht, die hat einen Knick in der Spitze!“), sie im Garten hundert Mal die Lichterkette umhängen lassen („Von der rechten Seite aus sieht man sie aber noch nicht gut!“), sie dazu nötigen, auch noch den letzten Fussel im Keller zu staubsaugen („Die Familie kommt, da muss alles sauber sein!“)?

Psychologen mögen mir widersprechen, doch ich vermute dieses Verhalten ist evolutionsbedingt. Es ist ein Überbleibsel vergangener Zeiten, in denen wir Konkurrentinnen abschrecken und potenzielle Gen-Vererber fest und dauerhaft an uns binden wollten, um die sichere Aufzucht des wertvollen Nachwuchses zu gewährleisten.

Der Einzelhandel bestätigt meine Vermutung:

Mir fiel bereits vor vielen Wochen auf, wie sehr sich die Angebote in Kaufhäusern und Supermärkten an dem für uns Frauen typischen Familiensinn orientieren. Es türmen sich Deko-Materialien, Nippes, Kitsch – dazu Lebensmittel aller Art, um natürlich auch den Gaumen der Liebsten zum Fest so richtig verwöhnen zu können. Es ist schwer, sich dem einer Riesenwelle gleich daherkommenden Weihnachts-Wahnsinn (den evolutionsbedingten Prozessen?!) zu widersetzen – unmöglich ist es aber nicht.

Können oder wollen wir dem gesellschaftlichen Druck nicht widerstehen? Warum lassen wir uns jedes Jahr aufs Neue in die Rolle des allwissenden, alles schaffenden, alles besorgenden Weihnachtsengels drängen und vergessen dabei, worum es an Weihnachten eigentlich geht? Oder wollen wir womöglich diese Rolle ganz bewusst innehaben?

Würden wir von unseren Partnern verlassen, von der Gesellschaft ausgegrenzt, wenn wir auf diesen weibischen Weihnachts-Wahnsinn verzichten? Ein Backblech mit verbrannten Keksen einfach hinnehmen, anstatt sofort – dem Nervenzusammenbruch nah – einen zweiten Versuch zu starten? Müssen wirklich alle Fenster an Weihnachten blitzblank geputzt sein? Und warum eigentlich kaufen wir so endlos viele Dinge ein, wenn wir doch sonst täglich gegen Konsum und Verschwendung wettern?

Ich glaube nicht, dass unsere Beziehungen, unsere sozialen Kontakte oder wir selbst darunter leiden würden, wenn wir uns auf das Wesentliche besinnen würden. Im Gegenteil: dadurch könnten wir das Fest der Sinne wohl wieder ein Stück weit besinnlicher angehen.

Damit ein Lächeln zum Fest bleibt, keine zusammengepressten Lippen. Für uns selbst und für unsere Lieben.

In diesem Sinne: Besinnt euch, Mädels, lauscht den weihnachtlichen Klängen, gönnt euch ’ne Tasse Punsch, lasst den Braten im Ofen einfach schmoren und genießt die Feiertage!

Gilt selbstverständlich auch für Jungs.

Frohe Weihnachten und ein erfolgreiches, glückliches und gesundes neues Jahr!

Copyright Image: © Nevit Dilmen [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: